Heute Morgen schaue ich noch etwas verschlafen auf mein
Handy. Eine mir ewig lang erscheinenden Message von meiner Nachbarin . Der
Inhalt war ihr erster Blogeintrag zu diesem Seminar. Mein erster Gedanke war
nur „Mist!!! Du hast noch nicht mal den Hauch einer Ahnung, worüber du
überhaupt schreiben sollst. Keine einzige Zeile hast du bisher getippt und sie
hat schon einen kompletten Eintrag
fertig.“ Als sie dann auch noch eine Stunde später auf meinem Sofa saß und mit
Ideen um sich geworfen hat, kam ich mir noch schlechter vor. Während sie sich
schon quer durch alle Blogs gelesen hatte, habe ich mich noch gemütlich in
meinem Bett vom Abend zuvor erholt.
Und da war dann auch schon das Gefühl des Drucks da. Du
MUSST jetzt auch endlich mit dem Eintrag anfangen. Dank den bereits verfassten
Blogeinträgen sitze ich nun hier und schreibe meinen eigenen, obwohl ich noch
genug Zeit hätte. Ich fühle mich gezwungen zu handeln. Ich bin sozusagen der
Patient und die anderen Blogger sind die Akteure, die mich erst dazu bewegen,
im Moment zu handeln. Egal was man tut, der verflixte Gedanke, dass man bloggen
MUSS, schwirrt einem immer im Kopf herum - IMMER, ÜBERALL und STÄNDIG. Erst
sobald ich gegen dieses unangenehme Gefühl etwas unternehme, fällt es von mir
ab. In genau dieser Hoffnung verfasse ich auch selbigen Blogeintrag. Doch da
wäre immer noch die ungeklärte Frage, über was ich nun schreiben soll. Das
Thema MUSS einem gefallen und MUSS gleichzeitig auch ergiebig sein. Am liebsten
würde ich das Bloggen vorerst lieber sein lassen und darauf hoffen, dass ich
irgendwann einen genialen Gedankenblitz haben werde. Wenn da doch bloß nicht
mein unliebsamer Begleiter –der Druck - wäre! Also wird es nichts mit dem
Warten auf die geniale Idee und ein Rapsode, der von seiner Muse befallen wird,
bin ich ja leider auch nicht…
Es steht allerdings jetzt schon fest: Das Handeln anderer wirkt
auf mich ein. Warum also nicht darüber schreiben? Inwiefern beeinflusst mich
mein Umfeld und auf welche Art und Weise tut es dies? Werden wir nur durch
Menschen aus unserer Umgebung angetrieben oder doch von uns selbst?
Verdammt, nun ist auch schon Sonntag! Meine „kurze“
Schreibpause hat doch länger gedauert, als erwartet. „Jetzt musst du endlich
etwas zustande bringen, denn ein wöchentlicher Blogeintrag wird erwartet.“,
wiederholt mein Gehirn monoton. Ohne diese Vorgabe würde ich wohl nie einen
Blogeintrag schreiben…zumindest nicht in dieser Form. Ich werde sozusagen
fremdangetrieben. Ich führe lediglich das aus, was man von mir erwartet. Aber
ist das wirklich so? Schließlich habe ich mir das Seminar freiwillig
ausgesucht. Ich wusste bei der Belegung, dass ich einen Blog verfassen muss.
Meine Motivation war, mehr über das Bloggen zu erfahren und natürlich die entsprechenden
Credits dafür zu bekommen. Langsam bekomme ich einen Knoten ins Gehirn, denn
was bin ich nun…fremd- oder doch selbstangetrieben? Vielleicht kann man es im
Endeffekt gar nicht klar trennen? Wann bin ich Akteur und wann Patient? Oder
gibt es möglicherweise keine klare Trennung zwischen den Beiden?
Für die nur schwammig mögliche Trennung würde sprechen, dass ich zwar das Seminar aktiv
auswählen konnte, aber dennoch musste ich mich an die vorgegebenen
Auswahlmöglichkeiten der Universität halten. Denn sobald es eine Auswahl gibt,
wird gleichzeitig logischerweise alles, was nicht in der Auswahl beinhaltet
ist, ausgeschlossen. Daher kann man sich nur in dem vorgegebenen Rahmen bewegen
und nicht darüber hinaus. Auf den ersten Blick erscheint es einem, als ob man
die freie Wahl hätte, im Grunde wird man jedoch trotz allem behandelt. Indem
man bestimmte Seminare auswählt, fungiert man als Akteur - zumindest kommt es
einem so vor. Aber eigentlich ist man Behandelter, weil man durch die
Universität, den eigentlichen Akteur bestimmte Vorgaben hat und diese erfüllen
muss. Darauf lässt sich allerdings erwidern, dass man die Universität selbst
ausgewählt hat. Aber hat man das wirklich frei entschieden? Ist man nicht viel
eher „Opfer“ von vielen Akteuren, die auf einen einwirken? Da wären die
Vorgaben der Gesellschaft, die Eltern, die Absagen anderer Universitäten und
vieles mehr. Das Netz lässt sich immer weiter spinnen…
…Kann man dann jemals kein Patient sein? Schließlich werden
an jeden Menschen Erwartungen gestellt, die sich auf das Handeln auswirken. Selbst
eine Person, die sich nicht diesen Erwartungen beugen möchte, reagiert
schlussendlich doch genau auf selbige. Durch das Nicht-Erfüllen will sie
oftmals provozieren, auffallen, polarisieren oder ausdrücken, dass ihr die
Meinung des "Erwartungsstellers" egal ist.
In meinen weiteren Blogeinträgen möchte ich auf die bereits
aufgeworfenen Fragen weiter eingehen. Mein Hauptaugenmerk soll dabei auf der
Interaktion zwischen Menschen liegen und wie sie sich durch ihr Verhalten
gegenseitig beeinflussen.
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Bildquelle:OiMax, „crowded stream“, CC-Lizenz (BY 2.0)http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/de/deed.de
Alle Bilder stammen aus der kostenlosen Bilddatenbank www.piqs.de (04.11.2012 um 16:23).
2 Kommentare:
Welche Vorgaben macht man selbst anderen ohne sich dessen bewusst zu sein?
"Patient" zu sein... ich assoziiere hiermit einen "nicht gesunden" Zustand, in welchem man ertragen muss und passiv erduldend in eine Fremdbestimmtheit geleitet wird. Warum regt sich hier bei mir eine Art Widerstand? Ist es nicht vielmehr so, dass wirklich viele Menschen in unseren Breitengraden in der komfortablen Situation sind, die kleinen und großen Weichen im Leben sehr bewusst und aktiv SELBST stellen zu können. Handelt es sich dann nicht um eine persönlich gewollte - manchmal der eigenen Bequemlichkeit gestundete - Passivität und "Opferrolle", in die man sich fallen und darin treiben lässt?!? Unbenommen: solange ich Sorge tragen muss, damit die unterste Stufe der Maslow´schen Bedürfnispyramide erfüllt ist (und das ist leider beileibe nicht nur in den bekannten Dritte-Welt-Regionen der Fall), ist es schwer, selbstbestimmt und aktiv nach Selbstverwirklichung zu streben... Wenn man sich jedoch in der privilegierten Ausgangslage befindet, zu den wenigen Prozent der Weltbevölkerung zu zählen, die aufgrund ökonomischer und sonstiger Gegebenheiten (theoretisch) in der Lage ist, diese oberste Stufe erreichen zu können, liegt die Entscheidungshoheit bei mir selbst, was ich daraus mache. "Werde der Du bist" oder "Werde was Du bist" (Nietzsche) - nach den eigenen Potentialen forschen, sie zu entdecken und deren Schatz zu heben. Damit entferne ich mich vom passiven Patienten-Dasein und wende mich einer anderen Art "Leiden" zu: der Leidenschaft... Ist es nicht nahezu egal, in welchem Bereich man sie für sich entdeckt (selbstredend im legalen und ethisch/moralisch "sauberen" Bereich). Einen nachhaltigeren Motor für die Entfaltung der individuellsten Potentiale gibt es wohl kaum. Wert darüber mal nachzudenken? To be continued... ;-)
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